Nathalie hat sich durch ihre einzigartige Symbolik nicht zuletzt im avantgardistischen Kreis der "Archetypischen Expressionisten" - einer noch jungen Kunstrichtung - einen Namen geschaffen. Verlassen kann sie sich dabei ganz auf ihre untrügliche und zugleich stilsichere Intuition, mit der sie ausdrucksstarke Motive immer wieder überraschend, aber doch mit klarer Handschrift auf die Leinwand bringt.
Ihre Lieblingsthemen entwickeln sich dabei wie eine Fortsetzungsgeschichte in eigener Sprache weiter, wobei die Zeichen, Symbole und Formen fast spielerisch in Art und Grösse mutieren und so auch alles Werden und Vergehen sinnbildlich wiedergeben. Über allem schwebt dabei sowohl farblich als auch formal eine bedingungslose Ästhetik - nicht einzelne Effekte, sondern das Mysterium der Gesamtwirkung sind für Nathalie Detsch entscheidend. Die Faszination des Unergründlichen lässt dabei Raum für den Dialog mit den Betrachtenden - als Werke sind die Bilder zwar fertig, in ihrem Interpretationsspielraum aber bleiben sie immer offen. Eine Ausstellung, die man durch ihre tiefere Wirkung bestimmt nicht so schnell vergessen wird.
Ernst Bannwart, Gemeindehaus Birmenstorf, 2021
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Nathalie lebt in einer Welt der Farben und Formen; schon immer. Sie pflegt ihre ganz eigene Wahrnehmung, die einerseits von einer sensiblen Ästhetik, andererseits von unbeschwerter und unverdorbener Freude am Schönen geprägt ist. Ein überaus geheimnisträchtiger Spannungsbogen für ausdrucksstarke Geschichten, die sie in ihren Bildern in beredetes Schweigen hüllt.
Inspirieren lässt sich Nathalie vor allem auf Reisen durch Begegnung mit anderen Kulturen, durch Bücher der Geschichte, der Kulturen und der Archäologie. Oder auf Ausflügen in Museen und Galerien - und nicht zuletzt durch die fantasievolle Sicht der Kinder, die sie in ihrer Direktheit immer wieder fasziniert.
Zu ihrem Geheimnis gehört wohl, wie sich gewisse Formen bei ihr richtiggehend eingenistet und ein Zuhause gefunden haben. Sie tauchen in ihren Bildern auf und verändern sich mit der Zeit fast unmerklich. Sie verbinden sich dabei mit bereits Dagewesenem, bis sie schliesslich zu eigenen neuen Formen mutieren und sich mit dem ganzen Geschehen auf scheinbar selbstverständliche Weise verweben. Und dies so lange, bis sie auf ihrer Reise wie durch eine Wiedergeburt in den Bildern der Gegenwart angekommen sind. So verwebt sich Altes, Archäologisches und Mythisches nahtlos mit der Gegenwart, was nicht zuletzt in ihren Farbkompositionen zum Ausdruck kommt. Die Künstlerin hegt auch eine grosse Liebe zur Kalligrafie. Rhythmisch setzt sie an und verteilt ihre Zeichen vor einem linienartig gestalteten Hintergrund. Das Schwarz ihrer Kalligrafie ist chinesische Tusche. Die gewählten Zeichen bedeuten Nathalie a priori Schrift, und mit ihnen lehnt sie sich der Jahrtausende alten chinesischen Tuschmalerei oder auch der arabischen Kalligraphie an.
Nathalie's Themen sind magisch, kultisch und stehen damit einer grellen virtuellen Welt diametral gegenüber. Es sind Bilder, die uns vielleicht aus eigenen archaischen Genen nicht unvertraut erscheinen, aber doch immer wieder einladen, uns auf das einzulassen, was wir mit den Händen nicht fassen und mit den Augen nicht abschliessend begreifen können. Könnte es sein, dass die Malerin gar etwas festhalten möchte, was wir sorglos zu verlieren im Begriffe sind: die Fähigkeit, in uns selbst hineinzuhören und damit unsere Verbindung zu unserem eigenen Ursprung zu wahren?
Ernst Bannwart, Galerie Claudine Hohl, 2010
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Nathalie lives in a world of forms and colors; she has always done so! She cultivates her individual perceptions of the world by searching for simple aesthetic beauty. This is reflected within the layers of mysticism within her paintings. The silent secret of her perception of the world is waiting to be discovered.
Nathalie's inspiration comes in many forms - travel and the encounter with other cultures, her fascination with the ancient world, museums, galleries and also through the world of fantasy as seen through the eyes of children (a simple and imaginative directness).
Her secret is how she interprets forms and finds a place for them in her art; they appear and change through time. This mutation transforms them into an integral part of the story-telling within her paintings. The forms connect the cultural heritage that lies at the heart of Nathalie's inspiration and the journey of transformation to something contemporary. The chosen colors add layer upon layer to the dimensions within the paintings and they connect the elements within her virtual world. Nathalie also has a big love for calligraphy; the signs she draws are arranged in a rhythmical manner and remind you of arabic calligraphy and the old tradition of chinese ink paintings.
Much is left to the beholder, the interpretations of the chosen mythical forms, colors and dimensions of the paintings can leave the beholder in a state of uncertainty. Their eyes take them on a journey back to the origins of human culture. Could it be that the artist is reminding us of something which most of us are about to loose in our busy world: the ability to listen to ourselves and therefore maintain a closer bond with our origin?
Adapted translation: Ernst Bannwart, Galerie Claudine Hohl, 2010
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Nathalie Detsch Southworth’s paintings are mythical pictures that seek to connect us back to our origins, to the beginning of civilisation and the cradle of humanity, each image a commingling of calligraphic markings, symbols and flat bold colours that are reminiscent of tiles, mosaics and religious murals on the walls of ancient temples.
There is something incredibly pure and simple about these paintings as if Southworth transcends the modern, the contemporary, and digs deeper into our primal selves, into the embers of our soul that was once alive to the elements, to the tactile feeling of the superstitious, the mystic. The magical essence of living in a world that was understood through the intercession of the gods.
We are witness to a direct appropriation of a cultural lexicon that has been passed down through generations, has been lost amidst the desperate need for humanity to advance, a pursuit that has led to us forgetting our humble beginnings and our deep connection to the splendour of the world and the universe around us.
In Southworth’s paintings we are taken on a trip through the ancient world, on a fantastical journey through time, an exploration of mythical beasts and arabic calligraphy. She presents us with a rhythmical picture that beats away deep within our belly. Quiet. Yet persistent. Waiting to be heard, to triumphantly proclaim the majesty of our history.
Moray Mair: www.mutantspace.com, August 2014
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Inspirieren lässt sich die Künstlerin vor allem auf Reisen durch Begegnung mit anderen Kulturen, durch Bücher der Geschichte und der Archäologie, durch Ausflüge in Museen und Galerien sowie durch die fantasievolle und direkte Wahrnehmung von Kinderzeichnungen, darunter auch ihre eigenen. Archäo-logisches und Mythisches verbinden sich dabei nahtlos.
Die Bildtitel verweisen auf die verschiedenen Inspirationsquellen – unter anderem finden sich neben musikalischen Referenzen (1: «the music we are» J. Rumi, 2013; 8: le chant du plâteau iranien, 2016; 10: carmina, 2017) ebenfalls Verweise auf die grafische Uli-Kunst in Nigeria und auch mystische Wesen wie Drachen sind zu finden (35: dragon pattern, 2019).
Besondere Aufmerksamkeit widmet die Künstlerin der Kalligraphie. Rhythmisch setzt sie an und verteilt ihre mit chinesischer Tusche kreierten Zeichen vor einem linienartigen gestalteten Hintergrund.
Schon Ernst Bannwart (Galerie Claudine Hohl, 2010) notierte, dass Nathalies Themen «magisch, kultisch sind» und «damit einer grellen virtuellen Welt diametral gegenüberstehen. Es sind Bilder, die uns vielleicht aus eigenen archaischen Genen nicht unvertraut erscheinen, aber doch immer wieder einladen, uns auf das einzulassen, was wir mit den Händen nicht fassen und mit den Augen nicht abschliessend begreifen können.»
Damit verweist Ernst Bannwart auf den deutschen Philosophen und Anthropologen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (* 27. Januar 1775 in Leonberg, Herzogtum Württemberg; † 20. August 1854 in Ragaz, Kanton St. Gallen). Schelling stellt die Kunst an die Spitze des Erkennens und Erkundens unserer Welt: Für Schelling sei einzig die Kunst fähig, die Welt als Gesamtes begreifen zu können. (Die Annahme, das Wirklichkeit auf einen Gott zurückgeht, lehnt Schelling ab). Es ist die Kunst und die mit ihr verbundene Vorstellungsleistung, die in ihr steckt, unsere Welt zu analysieren. Dies führt zu folgenden Reflexionsebenen, die bis heute andauern:
- Kunst ermöglicht die sogenannte «Remythologiesierung» der Welt;
- die Welt wird in einem Gesamtzusammenhang gelesen;
- die «verborgenen Kräfte» sind das Wesen der Wirklichkeit. Linien und Farben – also Kunst – sind das bevorzugte Mittel, diese Kräfte zu erkennen (vgl. die Notenlinien als Leitmotiv im Werk von Nathalie: Die Notenlinien zittern vor Energie. Es ist die Abstraktheit der Linie, welche immer wieder neue Verbindungsmöglichkeiten und ein Hin- und Herbewegen zwischen Zeit (vgl. Kinderzeichnungen) und Raum schafft.
Für Schelling ist es Aufgabe der Künstlerin oder des Künstlers, das Verhältnis zwischen Kunst und Wirklichkeit zu bestimmen.
Bei Nathalie ist dieses Verhältnis durch eine latente Abstraktion erkennbar. Formen und Motive haben unterschiedliche Präsenzen, es können auch Gegenstände erkennbar sein, aber das rein Malerische wird mit malerischen Mitteln aufgelöst – die Vorliebe für grafische Kunst (Uli, Nigeria, Kalligrafie, Noten, etc.) ist daher kein Zufall.
Im Werk von Nathalie findet somit eine Ablösung der sichtbaren Welt statt: Nicht das geometrisch-lineare, sondern das kurvi-lineare überwiegt: Es sind Kraftlinien, Energielinien und daher Energiefelder sowie «Farbtöne».
Künstlerinnen und Künstler erfahren die Wirklichkeit vom Essentiellen her (Kandinsky spricht vom «inneren Klang der Natur»): Es ist eine weitere Aufgabe des Künstlers, das Essentielle in eine Form zu bringen:
- Die Natur evoziert, sie hat keine abbildbare Gestalt (jede abbildliche Konnotation ist aufgegeben);
- Das künstlerische Tun gibt jedem Bild eine autonome Form (das Finden von Linien und Farben);
- Synästhesien erlauben es, den Bilderrahmen zu durchbrechen. Das Wort Synästhesie setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern syn (= zusammen) und aisthesis (= Empfindung). Synästhesie bedeutet «Sinnesverschmelzung».
Dr. Rudolf Velhagen, Kunsthistoriker Zürich, Ortsmuseum Meilen 2019